Interview mit Josianne Hosler "quittenduft.ch"


 

Josianne: Marlis, deine roten Jahre als blutende Frau sind vorüber. Lebst du trotzdem noch zyklisch? Wie machst du das?

Marlis: wenn ich unter «zyklisch leben» nur den Menstruationszyklus meinen würde, dann würde ich jetzt nicht mehr zyklisch leben. Bei einer Lebenserwartung von 84 Jahren ausgehen, würde Frau ja nur 30 – 40 Jahre zyklisch leben können! Für mich jedoch bedeutet «zyklisch»: ganzheitlich, natürlich, bewusst leben! Nach der Menopause kommt die Zeit der Einkehr: Ich besinne mich auf mein Sosein, ich schliesse Frieden mit den Geschichten meiner «jungen Jahre» und gehe mit meinen gesammelten Erkenntnissen in die neue Phase des Frauseins: Verbünde mich mit Gleichgesinnten. Ich gehe achtsamer mit meinen Ressourcen um, sage auch mal nein. Nähre meinen Körper, meinen Geist und meine Seele mit allem, was mir guttut (Freundinnentreffen, Vorträge/Workshops/Reisen, feines Essen und Trinken, Meditationen…). Ich kehre vermehrt in die Welt des Herzens ein und nutze mein Denken als Ratgeber.

J: Viele von meinen Kursfrauen denken: der Zyklus endet mit der letzten Blutung. Nun ist es aber so, dass lediglich der Menstruations-Zyklus damit endet. Welche anderen Zyklen bleiben bestehen?

M: zyklisch meint ja «rund» und das Gegenteil wäre in diesem Falle «linear». Zyklisch meint für mich jedoch, nicht einfach immer im Kreis herum, sondern als Spirale. Entwicklung! Das Phänomen, dass die Frauen meinen, nach dem «Menstruations-Zyklus» sei das (Frauen-) Leben quasi vorbei ist sehr stark von Gesellschaft geprägt: Schau dir nur die Werbung an, schau dich auf den Stellenmarkt um… Da gilt es, als eigenverantwortliches, intelligentes Wesen hinter die Kulissen zu schauen und nicht alles mitzumachen! Frauen, die Mühe haben damit, darfst du gerne an meine Kurse schicken 😉

J: Unsere Gesellschaft lebt nicht mehr zyklisch, die Burnout-Kliniken boomen. Ich selber sehe da einen direkten Zusammenhang. Du auch? Welchen?

M: ja, unser Fortschritt hat uns viele Vereinfachungen, jedoch auch Distanz zur Natur gebracht. Viele funktionieren wie Bioroboter – da sagt ihnen ein Gerät, ob es ihnen Wohl ist, ob sie genügend Schritte machen, wie das Wetter ist… Viele glauben, dass sie damit sicher sind, dass sie damit alles im Griff haben – ein perfektes Leben! Wir leben nicht mehr unsere Fähigkeiten, sondern kämpfen uns durch einen (gutbezahlten/angesehenen) Job. Aussen fix. Und innen? Für mich ist das Natürliche der Schlüssel. Für mich ist «natürlich» gleichbedeutend mit «normal» - also artgerecht!

J: der Mond, in vielen indianischen Kulturen auch Grossmutter Mond genannt. Was hast du für eine Verbindung zu dem Mond – der Mondin?

M: für mich ist der Mond ein berührendes und bewegendes Wesen, welches unsere Welt begleitet. Wenn wir bedenken, dass der Mond die Meere bewegt, verwundert es nicht, dass er auch die 60-70% Wasser der Menschenkörper bewegt! Gefühle gehören zum Element Wasser…. Tja, dann ist alles klar! Die Bezeichnung «Grossmutter» gehört für mich in die Seelensprache.

J: du bist vertraut mit der Lakota-Kultur, in welcher die Menarche-Feier als sehr wichtiger Meilenstein zelebriert wurde. Diese Initiation fehlt den heutigen jungen Mädchen. Was kennst du für schöne Beispiele, wie wir heute diese wichtige erste Blutung ehren können?

M: einfach ein Fest machen mit Herzensmenschen– zusammen essen, trinken, lachen! Der Kernaussage sollte sein: «Wir begleiten dich auf deinem Weg zum Frausein». Ich finde es auch total wichtig, was die Mutter dem Mädchen vorlebt. Ist sie selbstbewusst und authentisch oder selber noch nicht erwachsen?

J: hast du einen Wunsch, den du ‚meinen‘ Menopausen-Kursfrauen mit auf den Weg geben willst? Welchen?

 

M: entspannt euch! Seid mutig und steht zu euch! Ehrt und bewahrt euer (gelebtes) Wissen und gebt es weiter! Verbindet euch mit Gleichgesinnten, wo ihr echt sein könnt, einander unterstützt, begleitet, stärkt. Das Leben hat noch viele Geschenke für euch bereit – nehmt sie an!